"Living a Beautiful Life", 13 min, DVD, 2003
vs. Found footage from East German productions of the seventies
"Das nächste Mal", 6 Min, DVD, 2003
"Schlangenkinder" – photographies, 2004
Imagine a life you dreamed of for yourself when you were a child. A perfect life. Seemingly naive, Corinna Schnitt embraces common desires and conventional ideas of happiness, staging them up in an almost merciless quasi-documentary scenery. A handsome couple in a stylish villa high above LA confide to the camera that they possess, and that they represent, everything we ordinary people can only dream about. This exhaustive litany of complete bliss is hardly bearable. Bizarre as such a wallow in clichés seems, Corinna Schnitt's work is far from simple parody, cheap effects and punch lines. She masters the dramaturgically effective method of subtly combining artificial and naturalistic pictures. It's characteristic for Schnitt’s precise films that they leave us with an irritating ambiguity, causing a sometimes amusing sometimes disturbing problem of decoding. That’s how her barely moving pictures pull the rug from under our feet – gently and very friendly.
About found footage from East German productions of the seventies:
Small naked children playing with a baby tiger in a heavenly landscape, surrounded by large balloons. This material doesn’t originate from Hollywood, the factory of fictions, but from an East German film production of the seventies.
The confrontation of both films within an installation throws fresh semantic perspectives on each of them. Contrasting two seemingly hermetic utopian fictions shows them cracking at the seams.
German press text:
„Living a Beautiful Life”
Stell dir ein Leben vor, wie du es als Kind schon erträumt hast? Also, ein perfektes Leben.
Scheinbar vollkommen naiv nimmt Corinna Schnitt das allgemeine Wünschen und die üblichen Vorstellungen vom Lebensglück beim Wort – und führt uns diese als quasidokumentarische Inszenierung erbarmungslos vor Augen und Ohren. Sie zeigt uns eine Frau und einen Mann, beide gutaussehend, die in einer stilvollen Villa hoch über Los Angeles wohnen und abwechselnd in die Kamera berichten, dass sie all das haben und all das sind, was sich andere nur ersehnen.
Wie „Blade Runner“-Replikanten zählen sie sämtliche Bestandteile eines traumhaft schönen Lebens auf, so wie es sich die Menschen, zumindest in der westlichen Welt, gemeinhin vorstellen. Der Zuschauer kann diese erschöpfende Litanei des totalen Glücks nur schwer ertragen und fühlt sich durch die kontemplative Stimmung der wohlkomponierten Szenen zusätzlich provoziert.
Und wer zwischendurch vermutet, dass am Ende alles explodieren muss, wie in Antonionis „Zabriskie Point“, der irrt.
So grotesk dieses Schwelgen in Beautiful-Klischees auch anmutet, Corinna Schnitt ist weit davon entfernt, eine simple Parodie abzuliefern und verzichtet auf Effekt-gehasche und Pointentümelei. Sie beherrscht die dramaturgisch wirkungsvolle Methode, Artifizielles und Naturalistisches auf subtile Weise ineinander zu verweben. Ein Merkmal, das Schnitts präzise Filmarbeiten grundsätzlich auszeichnet: Sie überlässt uns – vielleicht sogar ein bisschen schadenfroh – einer irritierenden
Mehrdeutigkeit, die für eine mal amüsante, mal unbehagliche Dechiffrierungs-Schwebe sorgt. In ihren seltsamen ethnologischen Fiktionen entdeckt sie gerade dort Pararealitäten, wo wir doch alles genau zu kennen glauben. Und so zieht sie uns beim Betrachten ihrer kaum bewegten Bilder ganz sanft und sehr freundlich den Boden unter den Füßen weg. (Kay von Keitz)
Zum Found Footage aus ostdeutscher Produktion der 70er-Jahre:
Zu sehen sind kleine nackte Kinder in einer paradiesischen Landschaft, umgeben von großen Luftballons, die mit einem Babytiger spielen. Die Aufnahmen entstammen einer anderen Fabrik von Fiktionen, nicht Hollywood, sondern einer ostdeutschen Filmproduktion der 70er Jahre.
Die installative Konfrontation der beiden im Loop laufenden Filme bewirkt beim Zuschauer eine semantische Reperspektivierung des jeweilig anderen Films. Fragen der Glücksproduktion, der Utopientechnik stellen sich auf Grund der installativen Konfrontation neu und ergänzt um das Wissen, dass der Rand der Utopie stets ein rissiger ist. Die Gegenüberstellung zweier so scheinbar geschlossener, ungebrochener utopischer Fiktionen betont diesen Riss.
„Das nächste Mal“
Es ist Frühling, zwei Kinder liegen auf der Wiese, sprechen einen eigenartigen Liebesdialog. Klischeesprüche, wie “höre auf dein Herz“
und Klischeevorstellungen, wie “sei doch mal romantisch“ werden geübt. Aber auch geschlechterspezifische Dialogrollen und Verhaltensweisen werden spielerisch geprobt. Die Kamera distanziert sich, der Schauplatz, der romantische Garten erweist sich aus der Entfernung als kleine Grünfläche einer Verkehrsinsel. Eine Zufluchtsinsel tradierter Liebesphantasmen inmitten einer lärmenden Realität. Produzierte Sehnsuchtsbilder inszeniert auf der Bühne des Imaginären. Die “Insel der Liebenden“, das Paradies, erweist sich als Produkt konditionierter und medial vermittelter Beziehungsidyll-phantasmen. Die Künstlichkeit der Situation entsteht durch die wie aus anderen Filmen/Anleitungen entnommenen Dialoge, die mit den Akteuren nichts zu tun haben scheinen. Die Differenz zwischen Sprache und vortragenden Subjekten verweist auf stereotype Kommunikationsschematas, die von den Akteuren jedoch noch trainiert oder abgelegt werden müssen, das nächste Mal.
(Sabine Winkler)