Cornelia und Holger Lund, Stuttgart/Berlin
Abstract (in German)
Musikvideo und die filmische Ausprägung von Visual Music werden häufig als zwei unterschiedliche Formen der Musikvisualisierung gehandelt. Um das eine vom anderen zu trennen, kann man wesentliche Kennzeichen des Musikvideos und der Visual Music einander gegenüberstellen. Beim Musikvideo wird das Kausalitätsprinzip gewahrt, das heißt, die Verursacher der Musik sind beim Musikmachen zu sehen (auch wenn das oft nicht den Regeln der Wahrscheinlichkeit entspricht, denn wo soll etwa auf der Wiese der Strom für das sowieso nichtvorhandene Gesangsmikrofon herkommen?). Bei Visual Music hingegen ist ein Verzicht auf dieses Kausalitätsprinzip tragend: auf ganz verschiedene Weisen können visuelle Elemente zur Musik hinzutreten oder mit ihr verkoppelt sein, in der Regel jedoch wird der Musikmachende in den Visuals nicht gezeigt.
Doch dann endet es mit der Klarheit der Trennung schon recht rasch. Denn Visual Music als Gattung ist ziemlich offen, etwa hin zur Videokunst, zum Expanded Cinema, zum Tanzfilm, zur Animation, zu Games – und auch zum Musikvideo. Das liegt nicht zuletzt am Begriff „Visual“ selbst, der alle Arten von Bewegtbild zulässt, sei es Film, Video, Overhead, Dia oder selbst Licht. Visual Music knüpft an die genannten anderen Gattungen an – und diese umgekehrt knüpfen wiederum an Visual Music an.
Insbesondere die Musikvideos namhafterer Regisseure wie Spike Jonze, Chris Cunnigham oder Michel Gondry kommen immer wieder ganz ohne die Musiker aus – wie Visual Music. Was allerdings fast immer erhalten bleibt, gleichsam als Ersatz für nicht vorhandene Musiker, ist eine narrative Struktur – die der Visual Music eher fremd ist. Zuweilen trumpfen die Musikvideoregisseure gar mit so ausgeprägten, intensitätsreichen Erzählungen auf, dass die Musik eher wie Filmmusik wirkt, also sekundär und den primären Bildern im Nachhinein angepasst. Das wiederum ist kaum kennzeichnend für Visual Music, bei der sich die Bilder fast immer äquivalent oder sekundär zur Musik verhalten.
Komplizierter wird die Sachlage noch dadurch, dass bei Visual Music durchaus auch Musiker musizierend auftreten können, wobei die Musik dann dennoch, anders als beim Musikvideo, meist mit filmischen Mitteln wie Schnitt und Montage generiert wird.
Allein dieser kurze Abriss lässt erkennen, dass das Verhältnis von Visual Music und Musikvideo von Durchdringungen gekennzeichnet ist, was sich auch historisch zurückverfolgen lässt.
Der Beitrag wird anhand von ausgewählten Video- und Filmbeispielen aus wissenschaftlich-kuratorischer Perspektive besagtes Verhältnis genauer untersuchen, mit dem Blick auf Trennschnitte und Unterscheidungsmerkmale. Get the cut...
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